Berufsgesetz und Berufsrecht

Bereits vor mehr als 100 Jahren wurde der Reichsverband der Fürsorgerinnen Österreichs, die Vorläuferorganisation des obds, gegründet.

Im Jahre 1927 wurden vom Reichsverband (…) Richtlinien für den Schutz des Berufstitels „Fürsorgerin“ und für die Ausbildung ausgearbeitet. (…) Sie wurden damals dem Ministerium für soz. Verwaltung vorgelegt und bei mehreren Vorsprachen auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit einer Regelung hingewiesen.“

Hilda Wolf für den Reichsverband der Fürsorgerinnen in einem Schreiben an Marie Chlup vom 12.12.1936

Wie dieser Beleg anschaulich zeigt, hat die Frage des Schutzes der Bezeichnungen und der damit verbundenen Ausbildungen eine lange Geschichte. Nach der Einführung der Schulen bzw. später Akademien für Sozialarbeit ab 1962, die eine Verankerung im Schulorganisationsgesetz sowie einheitliche Lehrpläne mit sich brachten, war auch das Recht der Absolvent*innen eine Bezeichnung zu tragen, verbunden.

Auf den Diplomzeugnissen der Sozialakademien gab es Vermerke wie die Zuerkennung „der Berechtigung zur Führung der Ausbildungsbezeichnung Diplomierte Sozialarbeiterin“ (1988) oder „die Berechtigung zur Führung des geschützten Titels Diplomsozialarbeiterin“ (2002). Die Frage nach einem Berufsgesetz und berufsrechtlichen Regelungen für die Sozialarbeit blieb aber auch während der Zeit der Regelung der Ausbildungsbezeichnung bestehen. 1988 beschloss der obds ein Berufsbild der Sozialarbeiter, das als Grundlage für ein Berufsgesetz dienen sollte. Seit 1995 arbeitete der obds intensiv an einem Entwurf für ein Berufsgesetz, das sich – entsprechend dem damaligen Stand der Zeit – an damals „modernen“ Berufsrechten wie etwa dem Hebammengesetz orientierte.

„Wir brauchen ein Berufsgesetz, das die Qualitätsstandards festschreibt, Qualitätssicherung betreibt und das für alle SozialarbeiterInnen „zuständig“ ist. Qualitätssicherung beinhaltet auch die Berufsvertretung und muß bezahlt werden. Dieses Gesetz liegt im Interesse der SozialarbeiterInnen und ihrer KlientInnen […] und schreibt Dinge wie zum Beispiel Ausbildungsdauer, Ausbildungsstandard, Fortbildungsausmaß oder Fortbildungsstandards verpflichtend vor. Es beschreibt die Kernhandlungsfelder der Sozialarbeit, sichert die Berufsexistenz und regelt so sensible Bereiche wie die Verschwiegenheitspflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht.“

Dimitz, Georg (1997): Berufsvertretung für alle! Ein Plädoyer für eine „pragmatisierte“ Berufsvertretung.
In: Sozialarbeit in Österreich, 32. Jg., 116. Nr., S. 18–19.

Bereits in den 2000er Jahren zeigte sich, dass die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und damit auch die Frage der „Zuständigkeit“ für die Soziale Arbeit einen verkomplizierenden Faktor darstellt. Sowohl auf Bundes- als auch Landesebene wurde in intensiven Lobbyingprozssen versucht, auf die Notwendigkeit einer Regelung hinzuweisen.

Mit dem Übergang der Ausbildungen von Sozialakademien an Fachhochschulen, der vom obds stets begrüßt wurde, entfiel die Zuordnung von Ausbildungen in Sozialarbeit bzw. Sozialer Arbeit zum Schulwesen – und damit auch das Recht, eine Berufsbezeichnung zu führen. Stattdessen erlangen Absolvent*innen seitdem einen akademischen Grad, der aber keine Auskunft über die Kompetenzen oder die berufliche Eignung für bestimmte Tätigkeiten gibt. Die Auswirkungen wurden erst schleichend sichtbar: Ein fragmentiertes Feld von Aus- und Weiterbildungen, die sowohl öffentlich als auch privat organisiert sind, entstand. Aufgrund fehlender gesetzlicher Regelungen wurde es zunehmend diffuser, welche Ausbildungen zur Ausübung für Soziale Arbeit bzw. Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik qualifizieren und welche Mindeststandards diese erfüllen müssen.

In der XXVII. Gesetzgebungsperiode wurde als Ziel im Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2020 – 2024 die „Erarbeitung eines bundes­einheitlichen Berufsgesetzes für soziale Arbeit in Zusammenarbeit mit den Ländern“ festgeschrieben.

Als realistischen, in dieser Legislaturperiode umsetzbaren, ersten Schritt dorthin wurden, in enger Abstimmung zwischen Arbeiterkammer, Österreichischer Gesellschaft für Soziale Arbeit (ogsa) sowie Vertreter*innen von Ausbildungseinrichtungen sowie dem obds Verhandlungen für ein Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz geführt, das am 29.03.2024 in Kraft getreten ist.

Es verknüpft – wie bereits 1927 gefordert – die Berufsbezeichnung mit den dahinterstehenden Ausbildungen und schafft Transparenz hinsichtlich Qualität und Qualifizierung der Fachkräfte. Es kann eine Grundlage für ein umfassendes Berufsrecht für Soziale Arbeit (Sozialarbeit und Sozialpädagogik) darstellen und die Bedeutung der Profession und ihren Stellenwert für die Gesellschaft auch in Gesetzen abzubilden.

Gemeinsam mit Kooperationspartner*innen und im Wissen um die Unterstützung vieler Vertreter*innen in allen politischen Fraktionen wird der obds auch nach über 100 Jahren nicht müde, sich für die Berufsangehörigen und deren berufspolitische Interessen einzusetzen.

„In den parlamentarischen Debatten im National- und Bundesrat haben sich alle Redner*innen über die Fraktionsgrenzen hinweg zur Notwendigkeit eines Berufsgesetzes für Soziale Arbeit bekannt. Wir vom obds stehen für weiterführende Gespräche zur Verfügung und hoffen, dass dieses wichtige Thema nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Regierungsprogramm aufgegriffen und zielstrebig weiter verfolgt wird.“

Christoph Krenn (2024) in: obds (Hg): Das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2024 (SozBezG 2024) ist in Kraft! verbreitet via OTS.

… damit berufspolitisch was weitergeht!

ÖSTERREICHISCHER BERUFSVERBAND DER SOZIALEN ARBEIT