Berufsgesetz und Berufsrecht

Im Jahre 1927 wurden vom Reichsverband (…) Richtlinien für den Schutz des Berufstitels “Fürsorgerin” und für die Ausbildung ausgearbeitet. (…) Sie wurden damals dem Ministerium für soz. Verwaltung vorgelegt und bei mehreren Vorsprachen auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit einer Regelung hingewiesen.”

Hilda Wolf in einem Brief aus dem Jahr 1936

Die Frage des Schutzes der Bezeichnungen und der damit verbundenen Ausbildungen hat eine lange Geschichte. Mit der Verankerung der Ausbildungen im Schulorganisationsgesetz ab 1962 sowie einheitlichen Lehrpläne erhielten Absolvent*innen das Recht, eine Bezeichnung zu tragen. Auf den Diplomzeugnissen der Sozialakademien gab es Vermerke wie die Zuerkennung “der Berechtigung zur Führung der Ausbildungsbezeichnung Diplomierte Sozialarbeiterin” (1988) oder “die Berechtigung zur Führung des geschützten Titels Diplomsozialarbeiterin” (2002).

Die Frage nach einem Berufsgesetz und berufsrechtlichen Regelungen für die Sozialarbeit blieb aber auch während der Zeit der Regelung der Ausbildungsbezeichnung bestehen. 1988 beschloss der obds ein Berufsbild der Sozialarbeiter, das als Grundlage für ein Berufsgesetz dienen sollte. Seit 1995 arbeitete der obds intensiv an einem Entwurf für ein Berufsgesetz, das sich – entsprechend dem damaligen Stand der Zeit – an damals “modernen” Berufsrechten wie etwa dem Hebammengesetz orientierte.

„Wir brauchen ein Berufsgesetz, das die Qualitätsstandards festschreibt, Qualitätssicherung betreibt und das für alle SozialarbeiterInnen „zuständig“ ist. Qualitätssicherung beinhaltet auch die Berufsvertretung und muß bezahlt werden. Dieses Gesetz liegt im Interesse der SozialarbeiterInnen und ihrer KlientInnen […] und schreibt Dinge wie zum Beispiel Ausbildungsdauer, Ausbildungsstandard, Fortbildungsausmaß oder Fortbildungsstandards verpflichtend vor. Es beschreibt die Kernhandlungsfelder der Sozialarbeit, sichert die Berufsexistenz und regelt so sensible Bereiche wie die Verschwiegenheitspflicht und das Zeugnisverweigerungsrecht.“

Georg Dimitz in der Zeitschrift SIÖ 1997

Bereits in den damaligen Verhandlungen zeigte sich, dass die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und damit auch die Frage der “Zuständigkeit” für die Soziale Arbeit einen verkomplizierenden Faktor darstellt. Sowohl auf Bundes- als auch Landesebene wurde in intensiven Lobbyingprozssen versucht, auf die Notwendigkeit einer Regelung hinzuweisen.

Mit dem Übergang der Ausbildungen von Sozialakademien an Fachhochschulen, der vom obds stets begrüßt wurde, entfiel die Zuordnung von Ausbildungen in Sozialarbeit bzw. Sozialer Arbeit zum Schulwesen – und damit auch das Recht, eine Berufsbezeichnung, die im Schulwesen verankert war, zu führen. Stattdessen erlangen Absolvent*innen tertiärer Ausbildunegn einen akademischen Grad, der aber noch keine Auskunft über die Kompetenzen oder die berufliche Eignung für bestimmte Aufgabenbereiche gibt. Die Auswirkungen dieser Änderungen wurden erst schleichend sichtbar: Im Lauf der Zeit wurde immer unklarer, welche Ausbildungen für die Berufe Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik qualifizieren und welche Kompetenzen damit verbunden sind.

In der XXVII. Gesetzgebungsperiode wurde als Ziel im Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung 2020 – 2024 die “Erarbeitung eines bundes­einheitlichen Berufsgesetzes für soziale Arbeit in Zusammenarbeit mit den Ländern“ festgeschrieben. Am 29.03.2024 ist das Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz in Kraft getreten ist, dass die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung an die Absolvierung von Ausbildungen setzt. Es verknüpft – wie bereits 1927 gefordert – die Berufsbezeichnung mit den dahinterstehenden Ausbildungen und schafft Transparenz hinsichtlich Qualität und Qualifizierung der Fachkräfte.

Es ist ein Meilenstein für die Soziale Arbeit in Österreich und eine wichtige Grundlage für ein umfassendes Berufsrecht für Soziale Arbeit (Sozialarbeit und Sozialpädagogik). Gemeinsam mit Kooperationspartner*innen und im Wissen um die Unterstützung vieler Vertreter*innen in allen politischen Fraktionen setzt sich der obds auch nach dem In-Kraft-Treten des SozBezG 2024 setzt sich der obds und mit ihm viele weitere Partner*innen für eine umfassende berufsrechtliche Regelung für Soziale Arbeit ein.

„In den parlamentarischen Debatten im National- und Bundesrat haben sich alle Redner*innen über die Fraktionsgrenzen hinweg zur Notwendigkeit eines Berufsgesetzes für Soziale Arbeit bekannt. Wir vom obds stehen für weiterführende Gespräche zur Verfügung und hoffen, dass dieses wichtige Thema nicht nur in diesem, sondern auch im nächsten Regierungsprogramm aufgegriffen und zielstrebig weiter verfolgt wird.“

Christoph Krenn in der OTS zur Verabschiedung des SozBezG 2024

FAQ’s zum Berufsrecht und Berufsgesetz

Welche aktuellen Entwicklungen gibt es derzeit (Stand Dezember 2024)?

Derzeit verhandeln ÖVP, SPÖ und NEOS auf Bundesebene über eine mögliche gemeinsame Koalition. Der obds setzt sich dafür ein, dass die Absicht, ein bundeseinheitliches Berufsrecht für Soziale Arbeit zu schaffen, auch im Regierungsprogramm der XXVIII. Gesetzgebungsperiode genannt wird.

Zusätzlich gab es in einzelnen Bundesländern eine Auseinandersetzung mit dem Thema Berufsrecht und Soziale Arbeit. Im Bundesland Oberösterreich wurde der Antrag 920/2024 behandelt, der am 04.07.2024 eingebracht wurde anschließend im Verfassungsausschuss behandelt wurde. Das Land Vorarlberg spricht sich ebenfalls für ein bundeseinheitliches Berufsrecht für Soziale Arbeit aus und auch andere Bundesländer wissen um die Gesetzeslücke.

Was genau soll in einem bundeseinheitlichen Berufsgesetz stehen?

Ein bundeseinheitliches Berufsgesetz soll viele – derzeit offene – Fragen im Feld der Sozialen Arbeit klären. Zum Beispiel soll darin geregelt werden:

  • Welche Inhalte in Ausbildungen vermittelt werden müssen, um Personen entsprechend zu qualifizieren und welchen formalen Anforderungen die Ausbildungen entsprechen müssen.
  • Wie interprofessionelle Kooperation gestaltet werden und wie Informationsweitergabe und Verschwiegenheit geregelt werden können.
  • Wie Qualität in der Sozialen Arbeit gesichert werden kann (z.B. durch verpflichtende Fort- und Weiterbildungen).
  • Welche menschenrechtlichen und ethischen Standards für Soziale Arbeit gelten und wie sichergestellt werden soll, dass diese eingehalten werden.
  • Unter welchen Voraussetzungen freiberuflichen Tätigkeit für Personen mit einer Ausbildung in Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik auch ohne Anmeldung eines Gewerbes möglich ist.
  • Welche Möglichkeiten Adressat*innen der Sozialen Arbeit haben, um sich im Fall einer subjektiv wahrgenommenen nicht fachgerechten Beratung bzw. Betreuung zu beschweren bzw. Klärung zu erhalten.

Ein Überblick über die zentralen Forderungen des obds findet sich auf der Homepage.

Im Unterschied dazu regelt das SozBezG 2024 lediglich, welche Personen sich als Sozialarbeiter*in bzw. Sozialpädagog*in auf Grundlage welcher Ausbildungen bezeichnen dürfen. Damit ist das SozBezG 2024 ein erster Schritt zur Qualitätssicherung und schafft die Grundlage für weitere Verhandlungen in Richtung Berufsgesetz.

Gibt es ein Berufsbild der Sozialen Arbeit?

Ja. Bereits vor dem ersten Entwurf zu einem Berufsgesetz im Jahr 1998 hat der obds ein Berufbild für Sozialarbeit erstellt. Seit diesem Zeitpunkt wurde es in regelmäßigen Abständen aktualisiert und entsprechend der geltenden fachlichen Standards und den Entwicklungen in der Profession angepasst. Gemeinsam mit Vertreter*innen der Fachcommunity hat der obds in einem gemeinsamen Prozess im Jahr 2022 das Dokument “Soziale Arbeit in Österreich – Identifikationsrahmen für Sozialpädagogik und Sozialarbeit” herausgegeben. Dieses Dokument baut auf dem davor geltenden Berufsbild aus dem Jahr 2017 auf und ersetzt dieses.

Im Gegensatz zu einem Berufsgesetz hat das Berufsbild zum Ziel sowohl die Tätigkeiten als auch die Werthaltungen sowie die Zugänge zu den Berufen im Felder Sozialen Arbeit darzustellen. Ziel eines Berufsbildes ist es, einen Orientierungsrahmen sowohl für Angehörige der Profession als auch für interessierte Außenstehende und Stakeholder zu vermitteln. Es soll darstellen, was Soziale Arbeit ist, in welchen Bereichen Fachkräfte der Sozialen Arbeit tätig sind und was die Grundlagen ihrer Arbeit sind. Ein Berufsbild kann als gemeinsame Basis eines Verständnisses der Profession dienen und damit ein Berufsgesetz ergänzen – aber niemals ersetzen.

Ist im internationalen Vergleich eine Regelung der Sozialen Arbeit üblich?

Ja. In den meisten europäischen Staaten (in Europa verfügt neben Österreich auch Bulgarien über keinerlei Gesetzesgrundlage) sowie auch im angloamerikanischen Raum (USA, Vereinigtes Königreich, Australien, Neuseeland aber auch in afrikanischen Staaten sowie in der Asia – Pazifik Region) sind sowohl tertiäre Ausbildungen als auch einschlägige Gesetze gängige Praxis. In vielen Staaten ist die Soziale Arbeit ähnlich streng reglementiert wie in Österreich die Psychotherapie, der Beruf des Arztes oder andere Gesundheitsberufe inklusive Verpflichtung zur Registrierung, Zertifizierung, dem Nachweis von Fortbildungen sowie zum Teil auch Verpflichtung zu Supervision.

Gibt es internationale Empfehlungen bezüglich der Inhalte von Regelungen?

In den internationalen Grundlagendokumenten von IFSW und IASSW einen Überblick sowohl über die „Global Standards in Social Work Education and Training“ und im „Global Social Work Statement of Ethical principles” sowie anhand der Kommentare der „Global definition of Social Work“ https://www.ifsw.org/what-is-social-work/global-definition-of-social-work/ können Empfehlungen zum Auftrag und den Zielsetzungen von Sozialer Arbeit abgeleitet werden.

Gibt es wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Frage gesetzlicher Regelungen und ihrer Auswirkungen auseinandersetzen ?

Ja. Viele ältere Arbeiten sind über die Plattform des AMS – Forschungesnetzwerks zugänglich. In der Zeitschrift SIÖ finden sich zahlreiche Beiträge, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das Onlinearchiv ist für alle Interessierten zugänglich! In den letzten Jahren haben Personen v.a. im Zuge ihrer Masterarbeit sich mit dem Themenfeld Berufsrecht / gesetzliche Regelungen auseinandergesetzt. Einzelne Fachhochschulen haben dazu auch Forschungsschwerpunkte ins Leben gerufen.

Die folgenden Arbeiten werden dafür exemplarisch genannt. Sie stellen weder eine Auswahl oder Empfehlung dar noch wurden sie darauf geprüft, ob die darin getroffenen Schlussfolgerungen auch jenen des obds entsprechen.
Berufsgesetz für die Soziale Arbeit in Österreich – Kerninhalte zur Sicherung von Qualität und zum Schutz der Sozialen Arbeit und deren Adressat:innen

“Berufsgesetz für die Soziale Arbeit – Diskrepanz zwischen bildungspolitischen und berufspolitischen Zielen”
Die Anerkennung der Sozialen Arbeit als Gesundheitsberuf
“Exploring the Political mandate – A cross generational exploration of the role of social work in society among Austrian social workers.”
“Eine politische Soziale Arbeit in Österreich”
“Profession Soziale Arbeit! Die Stellung der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft und deren Schwierigkeiten im Handlungsfeld Kinder- und Jugendhilfe”

Eine wichtige wissenschaftliche Abschlussarbeit, ein Beitrag in einer Onlinezeitschrift oder eine sonstige Veröffentlichung fehlt? Gerne gehen wir entsprechenden Hinweisen nach und veröffentlichen diese!

Ist Soziale Arbeit nicht ohnehin in den Gesetzen zu Sozialbetreuungsberufen geregelt?

Nein. Das Bundesrahmengesetz für Sozialbetreuungsberufe wurde 2005 verabschiedet. Darauf aufbauend haben alle österreichischen Bundesländer eigene Gesetze verabschiedet. Die Soziale Arbeit wurde darin nicht berücksichtigt.

Seit wann gibt es Überlegungen zu einem Berufsgesetz?

Die ersten Entwürfe für ein Berufsgesetz in Österreich stammen aus den 1990er Jahren. Im Online – Journals soziales_kapital ist ein Beitrag der Geschichte des Berufsgesetzes gewidmet.

Welche Vorarbeiten bräuchte es für einen Gesetzentwurf für ein Berufsgesetz? Wäre eine rasche Umsetzung möglich?

Aus Sicht des obds ist die Voraussetzung für die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs einerseits der politische Wille und andererseits die Einbindung relevanter Stakeholder. Die Vernetzung der Fachcommunity macht es möglich, dass Expert*innen der Fachcommunity rasch benannt werden und eingebunden werden könnten. Einer raschen Umsetzung steht also nichts im Weg!

Wenn es ein Berufsgesetz geben würde, wie kann sichergestellt werden, dass es nicht „versteinert“, sondern rasch an aktuelle Entwicklungen angepasst werden kann?

Es liegt in der Natur der Sache, dass Gesetze sich – entsprechend der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und besonders bei Berufsgesetzen entsprechend dem Stand der Wissenschaft – weiterentwickeln müssen. Grundsätzlich wird eine Überarbeitung von Gesetzen durch eine eindeutige Zuständigkeit (z.B. des Bundes oder eines Bundeslands) erleichtert. Es zeigt sich, dass Gesetze, die in gemeinsamer Abstimmung zwischen Bund und Bundesländern oder die durch sogenannte §15a Vereinbarungen geregelt sind, dazu neigen, nicht in adäquater Zeit angepasst zu werden. Weiters hat sich gezeigt, dass bei Gesetzen, die sehr ausführlich und „kleinteilig“ gestaltet sind, rascher Anpassungen vorgenommen werden müssen als bei Gesetzen, die lediglich einen Rahmen vorgeben. Auch hat sich gezeigt, dass es im Sinn einer gelingenden interprofessionellen Kooperation und Zusammenarbeit zielführend ist, wesentliche Bereich der Gesetze (z.B. Verschwiegenheit, Berufspflichten, Dokumentationspflichten) aufeinander abzustimmen oder wenigstens unter Bezugnahme auf bereits geltendes Recht zu formulieren. Zusätzlich hat es sich bewährt, im Gesetzestext auf begleitende Verordnungen hinzuweisen, in denen Details geregelt sind. Im Gegensatz zu Gesetzen benötigen Verordnungen nur die Zustimmung des zuständigen Ministeriums – Änderungen z.B. des Curriculums wären rasch auf Basis von Verordnungen auf Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklungen möglich. Würde hingegen ein umfassendes Berufsgesetz bzw. das Curriculum im Rahmen von §15a Vereinbarungen fixiert, müssten einer Änderungen sowohl der Bund als auch alle Bundesländer zustimmen – ein rasches Reagieren auf Bedarfe wäre so nicht möglich.

Wäre  das Praktikum / die Praktikumsanleitung Teil des Berufsgesetzes?

Ja. Entsprechend der geltenden Standards in Österreich und international sind Praxiserfahrungen ein wesentlicher Teil der Ausbildung – also auch des Curriculums. Ein Curriculum wird daher jedenfalls Praxisanteile enthalten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist offen, wie detailliert in einer entsprechenden Verordnung auf Praktika eingegangen wird und ob z.B. die Form der Praktikumsanleitung in den Organisationen bzw. an den Ausbildungsstätten berücksichtigt wird.

Ebenso ist im Fachhochschulgesetz festgelegt, dass Praktika Teil der Ausbildung sind um den Zielsetzungen der Praxisnähe – unabhängig von der Studienwahl – zu entsprechen.

In der Praxis gibt es häufig Überschneidungen mit anderen Berufsgruppen und Professionen bzw. werden ähnliche Aufgaben von unterschiedlichen Berufsgruppen ausgeführt. Welche Auswirkungen hätte ein Berufsgesetz für Soziale Arbeit?

Ein Berufsgesetz für Soziale Arbeit kann dazu beitragen zu klären, welche Profession im vorliegenden Fall jene spezifischen Kompetenzen mitbringt, die für eine Bearbeitung von Relevanz sind. Gleichzeitig wird auch klar, welche Kompetenzen von einer bestimmten Profession nicht abgedeckt werden – das heißt in welchen Bereichen interprofessionelle Kooperation notwendig ist, um zu Lösungen zu finden. Für das Beispiel des Entlassungs-Managements z.B. wird deutlich, dass Angehörige des gehobenen Diensts der Gesundheits- und Krankenpflege Expert*innenwissen über das Ausmaß eines etwaigen Pflegebedarfs und der notwendigen Versorgung haben, Fachkräfte der Sozialen Arbeit aber über das notwendige Wissen verfügen, um auch bei eingeschränkter Gesundheit weiterhin soziale Teilhabe zu ermöglichen und die sozialen Rechte abzusichern.

Wie können die „Freiheit“ und die „Zwischenräume“ die Soziale Arbeit nutzt, gelingend in einem Berufsgesetz berücksichtigt werden?

Ein Berufsgesetz der Sozialen Arbeit muss auf internationalen Definitionen und der ethischen Haltung der Profession sowie internationaler Standards für Ausbildungen aufbauen. Diesen Standards ist der obds verpflichtet, und diese Standards werden auch laufend in politische Gespräche eingebracht. Eine gesetzliche Absicherung Sozialer Arbeit stellt sicher, dass die Soziale Arbeit in der Gesellschaft jene – auch formale – Berücksichtigung findet, die sie jetzt bereits ausübt. Ein Berufsgesetz ermöglicht die strukturierte Beteiligung von Fachkräften der Sozialen Arbeit an aktuellen Diskursen und stellt sicher, dass die Berufsgruppen bei wesentlichen Fragen zumindest „mitgedacht“ werden.

Wie können die unterschiedlichen Bereiche der Sozialen Arbeit in einem Berufsgesetz berücksichtigt werden?

Ein Berufsgesetz stellt einen Rahmen dar, innerhalb dessen sich alle Leistungen, die Soziale Arbeit anbietet und alle Felder, in denen sie tätig ist, wiederfinden. Die Kunst ist es, diesen Rahmen so weit zu fassen, dass alle Bereiche umfasst werden und gleichzeitig die Unterscheidbarkeit zu anderen Berufsgruppen aufrecht bleibt und die Abgrenzung von Laientätigkeiten klar definiert ist. Mit der “Definition Sozialer Arbeit konkretisiert für Österreich” und dem “Identifikationsrahmen für Sozialpädagogik und Sozialarbeit” bestehen dafür Vorlagen durch den obds, die im Gesetzgebungsprozess weiter ausgestaltet werden können. Diese Dokumente sind hier abrufbar.

Würde sich die Soziale Arbeit mit einem Berufsgesetz, das an das Gesetz der Gesundheitsberufe anschließt, der Gesundheit bzw. der Ärzt*innenschaft unterordnen?

Nein. Mit dem Vorschlag, die sozialen Determinanten von Gesundheit als Kompetenz der Sozialen Arbeit in Abgrenzung und Unterscheidbarkeit zu anderen Profession festzulegen, erfolgt keine Unterordnung. Vielmehr stellt es sicher, dass die besonderen fachlichen Kompetenzen der Sozialen Arbeit klar benannt sind und die Lebensbedingungen als Einflussfaktoren für die soziale Gesundheit hervorgehoben werden. Soziale Arbeit würde damit „neben“ anderen Gesundheitsberufen stehen, die bereits über eigene Gesetze verfügen. In einzelnen Gesetzen anderer Gesundheitsberufe sind Verweise zu finden, dass entweder Behandlungen oder Therapien oder auch bestimmte Tätigkeiten nur nach Rücksprache mit einer anderen Profession (z.B. Ärzt*innen) erfolgen dürfen. Eine solche Klausel ist für die Soziale Arbeit nicht vorgesehen und wird vom obds entschieden abgelehnt. Soziale Arbeit soll von Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen eigenverantwortlich erbracht werden. Klar muss aber auch sein: Sozialpädog*innen und Sozialarbeiter*innen haben (schon aufgrund der Professionsethik!) die Verpflichtung, andere Berufsgruppen einzubeziehen oder an diese zu verweisen wenn es fachlich geboten erscheint.

Wie kann das „soziale“ als Kernkompetenz Sozialer Arbeit in einem Berufsgesetz berücksichtigt werden?

„Sozial“ hat die Bedeutung von „die Gesellschaft betreffend“ oder „menschliches Miteinander betreffend“. Oft werden damit auch Beziehungen zwischen Einzelpersonen und Gruppen oder innerhalb von Gruppen beschrieben. Soziale Arbeit ist daher immer auch „sozial“. Gleichzeitig ist aber das „soziale“ weder ein Alleinstellungsmerkmal Sozialer Arbeit als Profession, noch kann es dazu betragen umfassende, berufliche Tätigkeiten von mildtätigen, laienhaften Unterstützungsformen zu unterscheiden. Soziale Arbeit leistet spezifische Beiträge, die sie unverwechselbar machen.

Wird das Ziel Sozialer Arbeit zur ‘Ermächtigung’ in einem Berufsgesetz genügend abgebildet?

„Empowerment“ findet sich in der aktuellen internationalen Definition und auch in der vom obds verabschiedeten Übersetzung ins österreichische Deutsch. Auch das Dokument “Identifikationsrahmen für Sozialpädagogik und Sozialarbeit” benennt das oft flapsig formulierte Ziel der Sozialen Arbeit „sich durch die Arbeit selbst abzuschaffen“. Die Ziele der Sozialen Arbeit können nur durch Methoden und Instrumente erreicht werden, die in Co-Produktion mit den Adressat*innen gemeinsam vereinbart wurden. Eine entsprechende professionelle Haltung der Fachkräfte ist Voraussetzung für gelingende Soziale Arbeit entsprechend ihres Selbstverständnisses.

Warum gibt es in Österreich noch kein bundeseinheitliches Berufsgesetz für Soziale Arbeit?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Einerseits sind aufgrund der föderalen Verwaltungsstruktur Zuständigkeiten auf Bund und Länder aufgeteilt, und andererseits verfügen weder die Berufsangehörigen noch die Adressat*innen über politische Macht. Auch wenn innerhalb der Fachcommunity über viele Jahre mehrheitlich die Notwendigkeit eines Berufsgesetzes gesehen wurde, so gab es doch unterschiedliche Auffassungen und Diskurse zur Ausgestaltung eines solchen Gesetzes bzw. Bedenken, dass ein Berufsrecht auch Nachteile mit sich bringen könnte. Einen Einblick in Diskurse aus dem Jahr 2015 findet sich hier.
Die Vorläuferorganisation des obds hat bereits 1927 (!) einen Titelschutz gefordert. Der erste uns vorliegende schriftliche Entwurf für ein Berufsgesetz stammt aus dem Jahr 1997. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden die entsprechenden Text- und Gesetzesvorschläge immer wieder adaptiert und angepasst. Der letzte Entwurf stammt aus dem Jahr 2020 und ist nicht öffentlich verfügbar. In den letzten Jahren hat der obds keine eigenen Gesetzesentwürfe vorgelegt, vielmehr versucht er für die Notwendigkeit der Umsetzung durch Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit und intensiven Kontakt mit Politik und Verwaltung zu sensibilisieren.

Im SozBezG 2024, das beschlossen wurde, finden sich in den Erläuterungen Hinweise auf Inhalte, die sich auch in einem Berufsgesetz finden könnten.

Wie ist der aktuelle Umsetzungsstand bezüglich Berufsgesetz in Österreich?

Im aktuellen Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung ist festgehalten: „Sozialarbeit: Ziel der Erarbeitung eines bundes­einheitlichen Berufsgesetzes für soziale Arbeit in Zusammenarbeit mit den Ländern“.  (Quelle: Bundeskanzleramt (2020): Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024. Wien.: 182).

Am 17.04.2023 hat eine gemeinsame Veranstaltung in der Arbeiterkammer stattgefunden. Sowohl eine Videoaufzeichnung als auch die Keynotes sowie ein Textbeitrag als schriftliche Zusammenfassung finden sich hier zur Nachlese. https://wien.arbeiterkammer.at/service/veranstaltungen/rueckblicke/Berufsgesetz-der-Sozialen-Arbeit.html. Darin wird ein Überblick zur aktuellen Situation gegeben und – vor allem in der Keynote von Michael Kierein – mögliche Umsetzungsmöglichkeiten skizziert.

Abgeordnete der Partei NEOS (Loacker, Künsberg, Scherak, Fiedler) haben im April 2023 eine Anfrage an Bundesminister Rauch zur Anzahl der Fachkräfte eingebracht. Die Beantwortung der Anfrage kann hier nachgelesen werden. Abgeordnete der SPÖ (Oxonitsch, Oberrauer, Ecker) haben im Juni 2023 eine Anfrage zum Umsetzungsstand des Bundesgesetzes gestellt. Auf Ebene der Bundesländer gab es ebenfalls Anfragen wie jene der NEOS an LR Wiesflecker in Vorarlberg.

Am 15.12.2023 wurde ein Initiativantrag zu einem Bezeichnungsschutz “Sozialarbeits-Bezeichnungsgesetz 2023” im Parlament eingebracht und am 29.03.2024 ist das SozBezG in Kraft getreten.

Im Gegensatz zu einem umfassenden Berufsrecht regelt das SozBezG 2024 lediglich die Bezeichnung. Nur Personen mit einschlägiger Ausbildung dürfen sich seit dem In Kraft Treten als Sozialarbeiter*in bzw. Sozialpädagog*in bezeichnen.

BM Johannes Rauch, der sich maßgeblich für einen Bezeichnungsschutz eingesetzt hat, bezeichnete diesen wiederholt als ersten realistischen, in dieser Legislaturperiode umsetzbaren Schritt. Auch in den Debatten zum SozBezG 2024 im National- und Bundesrat forderten Redner*innen aller Fraktionen ein umfassendes Berufsgesetz.

Auch in den Erläuterungen zum SozBezG 2024 heißt es:

Gleichzeitig kann ein Bezeichnungsschutz einen ersten Schritt darstellen um, wie im Regierungsprogramm der XXVII. Gesetzgebungsperiode vereinbart, in weiterer Folge gemeinsam mit den Bundesländern ein umfassendes Berufsgesetz für die Soziale Arbeit zu entwickeln, dass sowohl Ausbildungen als auch Berufspflichten, freiberufliche Tätigkeit sowie interprofessionelle Kooperation und etwaige Berufsvorbehalte regeln würde.

Als Berufsangehörige ist es auch unsere Aufgabe darauf zu achten, dass diese Absichtserklärungen nicht in Vergessenheit geraten und weiterhin um breite Unterstützung zu werden.

Wer befürwortet gesetzliche Regelungen?

In der Vergangenheit gab es bereits mehrmals „Rückenwind“ auf Ebene der Bundespolitik (siehe dazu z.B. die Homepage des Parlaments) oder entsprechende Landtagsbeschlüsse in einzelnen Bundesländern. Gewerkschaften und Gremien der Arbeiterkammer fassten auch bereits mehrmals Beschlüsse zur Unterstützung eines entsprechenden Vorhabens. Ein kontinuierliches, strukturiertes Vorantreiben des Prozesses auch bei Wechsel der Ansprechpartner*innen auf politischer Ebene gelang lange nicht.

Aktuell ist das Vorhaben eines Berufsgesetzes für Soziale Arbeit sowohl als Zielsetzung im Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung genannt, zusätzlich unterstützt die Generalversammlung der Bundesarbeitskammer in ihrem Beschluss vom Mai 2023 das Vorhaben. Die Fachgesellschaft ogsa befürwortet gesetzliche Regelungen ebenso wie hochrangige Vertreter*innen der Sozialwirtschaft Österreich und Ausbildungseinrichtungen. IFSW Europe hat in einem Schreiben an BM Rauch die Forderungen ebenfalls unterstützt. Mit dem SozBezG 2024 ist nun ein erster, konkreter Schritt gelungen, auf dessen Basis weitere folgen können.

Ist “Sozialarbeit” bzw. “Sozialpädagogik” überhaupt eine eigene Profession?

Ja. Von der International Labour Organisation (ILO), die zur UN gehört, gibt es bereits aus 2004 eine Berücksichtigung von „Social Work Professionals“ in der ISCO (International Standard Classification of Occupation). Darin werden die Aufgaben von Fachkräften der Sozialen Arbeit aufgelistet. Bereits 2001 hat der Europarat empfohlen, unter anderem „einen stabilen rechtlichen Rahmen schaffen, in dem die Sozialarbeiter arbeiten können“ sowie weitere Vorschläge zum Auftrag und zu Zielsetzungen sozialer Arbeit in Europa verabschiedet.

Auf EU – Ebene wird von Social Services und entsprechenden Regelungen gesprochen. Betrifft das die Soziale Arbeit?

Ja. In Unterlagen der europäischen Kommission werden soziale Dienstleistungen definiert und festgeschrieben, welche Rahmenbedingungen notwendig sind, damit diese in der erforderlichen Qualiät erbracht werden können. Bereits im Jahr 2011 wurde vom Social Protection Comitee unter dem Titel “A Voluntary European Quality Framework for Social Services” eine Empfehlung verabschiedet, die in den letzten Jahren verstärkt diskutiert und in Verbindung mit dem European Pillar of Social Rights auch wieder überarbeitet werden soll. Auch wenn diese Grundlagendokumente keine Berufsgruppen benennen, wird doch klar, dass Soziale Arbeit als wesentliche Profession zur Sicherung des Wohlfahrssystems davon umfasst sein muss.

Bundesrecht oder Landesrecht? Wo ist Soziale Arbeit in Österreich gesetzlich verortet?

Österreich ist ein föderaler Staat, der aus 9 Bundesländern besteht. In der Bundesverfassung bzw. dem Bundesverfassungsgesetz ist genau geregelt für welche Bereiche erstens der Bund, zweitens die Bundesländer und drittens Bund und Bundesländer gemeinsam zuständig sind. Um hier Änderungen vorzunehmen braucht es eine 2/3 Mehrheit im Parlament. Da die Verfassung die Grundlage des österreichischen Staatsgefüges darstellt, wird sie nicht so rasch verändert wie z.B. einzelne Bundes- bzw. Landesgesetze und Verordnungen. In der Bundesverfassung steht, dass alles, was nicht explizit geregelt wird, automatisch in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer fällt. Die Begriffe „Soziale Arbeit“, „Sozialarbeit“, „Sozialpädagogik“ oder „Erziehung“ werden in der Verfassung nicht genannt.

Ein Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass von einer gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern auszugehen ist und es wird empfohlen für die Soziale Arbeit einen eigenen Kompetenztatbestand in Verfassungsrang einzuführen.

Was soll in einem Berufsgesetz genau stehen? Gibt es einen aktuellen Entwurf?

Nein, es gibt derzeit keinen aktuellen Entwurf für ein Berufsrecht der Sozialen Arbeit. Mögliche Themen und Inhalte und Vorschläge zu Regelungen sind im Beitrag des Online – Journals soziales_kapital enthalten.

Kann direkte Demokratie die Verabschiedung eines Berufsgesetzes beschleunigen?

Bei einer Volksabstimmung wird das gesamte Volk darüber befragt, ob ein vom Parlament bereits beschlossenes Gesetz in Kraft treten soll oder nicht. Die letzte Volksabstimmung war jene zum EU-Beitritt Österreichs. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass der Bundesgesetzgeber eine Volksbefragung vor der Beschlussfassung im Parlament durchführt. Es kann mit „ja“ oder „nein“ abgestimmt werden. Die einzige Volksbefragung in Österreich war zum Thema Wehrpflicht im Jahr 2013. Mittels eines Volksbegehrens können Bürger*innen konkrete Gesetzesvorschläge im Parlament einbringen. Allerdings nur zu Themen, die eindeutig in die Kompetenz des Bundes fallen.

Weitere Möglichkeiten der direkten Demokratie sind die parlamentarische Bürgerinitiative bzw. die parlamentarische Petition. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen ist, dass im ersten Fall die Unterschriften von 500 Bürger*innen benötigt werden, im zweiten Fall die Unterschrift von einem*r Nationalratsabgeordneten. Auch hier gilt, dass das Thema in Bundeskompetenz fallen muss, um behandelt werden zu können.

Solange man im Bereich der gesetzlichen „Zuständigkeit“ für Soziale Arbeit von einer geteilten Zuständigkeit zwischen Bund und Bundesländern ausgehen muss, kommen daher keine formalen Bürgerbeteiligungsverfahren in Betracht. Online Petitionen, Unterschriftensammlungen bzw. andere nicht formale Verfahren der Sichtbarmachung von Anliegen sind freilich jederzeit möglich und könnten den Druck auf alle Beteiligten erhöhen.

Wer unterstützt die Forderungen nach einem Berufsgesetz?

Die Forderungen werden von den unterschiedlichen Fachgewerkschaften, nämlich GPA, GÖD, Younion, vida und vom ögb sowie von der Arbeiterkammer unterstützt. Innerhalb der Community unterstützen mit der ogsa sowie dem öfas auch andere maßgebliche Verbände ein Berufsgesetz. Auch Studiengangsleiter*innen von Fachhochschulen und Universitäten stehen dem Prozess positiv gegenüber.

Berufsverbände verwandter Professionen unterstützen die Forderungen nach einem Berufsgesetz für Soziale Arbeit und auch Stakeholder aus dem Bereich Gesundheit sowie der Ärzteschaft sehen die Notwendigkeit einer gesetzlichen Berücksichtigung.

Welche Auswirkungen hätte ein Berufsgesetz auf meine Organisation / Einrichtung?

Ein Berufsgesetz kann einen Rahmen darstellen und skizzieren, welche Voraussetzungen gelten, um den Beruf auszuüben, welche Kompetenzen dafür notwendig sind und mit welchen Pflichten die Berufsausübung einhergeht, ob freiberufliche Tätigkeit erlaubt ist, usw. Ein Berufsrecht legt für Beratungsstelle X oder Organisation Y aber nicht fest, wie viele Personen beschäftigt werden müssen, welche Ausbildungen sie haben und ob z.B. im Team, aufsuchend, nachgehend oder stationär gearbeitet wird. Diese Vereinbarungen werden meist in Förderbedingungen oder in einschlägigen Gesetzen (z.B. den Kinder- und Jugendhilfegesetzen der Bundesländer oder entsprechenden Verordnungen) festgelegt. Aus der Berufsumschreibung und den Kompetenzen, die im Berufsrecht niedergeschrieben sind, werden in Verbindung mit dem Auftrag, den die Einrichtung hat, aber Rückschlüsse darauf möglich, welche Rahmenbedingungen es braucht, um entsprechend den Gesetzesvorgaben zu arbeiten. Indirekt kann ein Berufsrecht also dazu beitragen eine Diskussion über Personal- und Sachressourcen anzustoßen. Unabhängig vom Berufsrecht existieren auch das Arbeitsrecht sowie kollektivvertragliche Bestimmungen, die großen Einfluss auf die Rahmenbedingungen und die Entlohnung haben. Diese Regelungen werden von einem Berufsgesetz nicht berührt. Bestehende Kollektivverträge gelten weiterhin und geltende Rechtsbestimmungen (z.B. DSGVO) sind immer einzuhalten!

Soll es in einem Berufsgesetz Tätigkeitsvorbehalte geben?

Die meisten Tätigkeiten, die von Fachkräften der Sozialen Arbeit ausgeführt werden, werden auch von anderen Professionen ausgeübt – zum Beispiel das Führen von (Beratungs)Gesprächen, gutachterliche Tätigkeiten, Erhebungen, Vernetzungstätigkeiten usw. Eine Abgrenzung zwischen umfassenden, geplanten und berufsmäßigen sozialpädagogischen oder sozialarbeiterischen Tätigkeiten und den Handlungen, die von Laien oder anderen Professionen / Berufen gesetzt werden, ergibt sich aus der Zielsetzung sowie dem Auftrag, die der konkreten Tätigkeit zugrunde liegt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht geplant, Tätigkeitsvorbehalte in einem Berufsgesetz für die Soziale Arbeit aufzunehmen. (Anmerkung: Es gibt neben Tätigkeitsvorbehalten auch Berufsvorbehalte).

Führen gesetzliche Regelungen nicht zur Hierarchisierung?

Nein, nicht automatisch. Weder ein Bezeichnungsschutz noch durch ein Berufsrecht führen automatisch zu Hierarchisierungen. Jedes Berufsrecht steht für sich alleine – die einzelnen Berufsrechte der unterschiedlichen Professionen im Gesundheitsbereich stehen gleichberechtigt „nebeneinander“. Eine Hierarchisierung zwischen den einzelnen Berufsgruppen kann sich durch nähere Bestimmungen im Gesetz ergeben (z.B. Profession A darf X durchführen, Profession B darf X unter Anleitung durchführen, Profession C darf X aufgrund Anordnung von Profession Z durchführen). Für die Soziale Arbeit sind solche Bestimmungen nicht vorgesehen. Vielmehr kann ein Berufsgesetz dazu beitragen, dass die eigene Fachlichkeit der Sozialen Arbeit auch in der interprofessionellen Kooperation stärker anerkannt wird. Ein Berufsgesetz würde aber auch nichts an bereits bestehenden Hierarchisierungen ändern, die auf Grundlage anderer Gesetze bzw. Normvorgaben bestehen. So werden z.B. weiterhin Letztentscheidungen bei Gerichten oder bei – entsprechend den Dienstvorschriften – bei vorgesetzten Stellen liegen.

Stehen die Menschenrechte im Fokus eines Berufsgesetzes? Soziale Arbeit ist doch eine Menschenrechtsprofession!

Soziale Arbeit versteht sich als Menschenrechtsprofession und entsprechend der internationalen Definition sowie der “Definition der Sozialen Arbeit – konkretisiert für Österreich” sowie des “Identifikationsrahmens für Sozialpädagogik und Sozialarbeit” ist das Eintreten für Menschenrechte zentral. (Die dazugehörigenn Dokumente sind hier abrufbar.) Das ist allerdings kein „Alleinstellungsmerkmal“ der Sozialen Arbeit. Menschenrechte stehen in Österreich im Verfassungsrang, jede und jeder ist verpflichtet, diese einzuhalten – das gilt umso mehr für Angehörige von Professionen, die mit Macht ausgestattet sind wie z.B. auch Ärzteschaft, Polizei – und selbstverständlich auch für die Soziale Arbeit! Soziale Arbeit leistet aber auch spezifische Beiträge, die sie von anderen Professionen unterscheiden. Diese wurden bei der Erstellung oben angeführter Dokumente in den Vordergrund gerückt.  

Viele Berufsgruppen und Professionen bieten „Beratung“ oder „Case-Management“ an. Was würde sich durch ein Berufsgesetz für Soziale Arbeit ändern? Wer darf künftig z.B. „psychosoziale Beratung“ anbieten?

„Beratung“ oder „Case Management“ wird von unterschiedlichen Professionen, aber auch von Laien und gewerblich darauf spezialisierten Personen oder Firmen angeboten. Per se kann die Tätigkeit der „Beratung“ oder des „Case-Managements“ also nicht einer Profession alleine vorbehalten sein. Ein etwaiger „Tätigkeitsvorbehalt“ für die Soziale Arbeit wäre realitätsfern und nicht konsensfähig. Durch die Gegenstandsbeschreibung von Sozialer Arbeit, durch die Benennung des Ziels von Sozialer Arbeit und durch die Kompetenzen, die die Berufsangehörigen durch ihre Ausbildung erworben haben, wird aber klar ersichtlich, dass sozialarbeiterische bzw. sozialpädagogische Beratung oder sozialarbeiterisches Case Management entsprechendes Fachwissen voraussetzt und andere Zielsetzungen verfolgt als z.B. ein gewerbliches Angebot zur Förderung der Lebenszufriedenheit. Auch wenn die zur Anwendung kommenden Methoden und Techniken ähnlich sind bzw. auf den gleichen Theorien und Grundlagen aufbauen. Nur Sozialpädagog*innen und Sozialarbeiter*innen sind aber in der Lage, die erlernten Techniken und Methoden in Verbindung mit dem Auftrag und den Zielsetzungen ihrer eigenen Profession zu bringen und vor diesem Hintergrund mit den Adressat*innen gemeinsam daran zu arbeiten, deren selbstbestimmte soziale Teilhabe, die Übernahme sozialer Verantwortung und die Durchsetzung sozialer Rechte  zu fördern. Anderen Berufsgruppen und Professionen steht es selbstverständlich frei, Beratung anzubieten, bzw. die entsprechenden Methoden und Techniken anzuwenden solange dies entlang den Grundsätzen ihrer eigenen Profession erfolgt und nicht vorgibt sozialarbeiterische oder sozialpädagogische Beratung bzw. Case Management zu ersetzen.

Auch ohne Vorliegen eines Berufsgesetzes haben Fachkräfte der Sozialen Arbeit die Fachkompetenz Beratungen durchzuführen bzw. im Case Management tätig zu sein. Beratungsgespräche und die Erhebung der Lebensumstände und Einflussfaktoren sowie Vernetzungen sind notwendige Voraussetzungen für jede Form von Unterstützungsleistungen. Ohne diese Tätigkeiten kann Soziale Arbeit weder ihrem Auftrag gerecht werden noch ihre Ziele erreichen.

Welche Auswirkungen hätte ein Berufsgesetz auf Verschwiegenheitspflichten? Wie kann dann noch gelingende Vernetzung geleistet werden?

In allen Gesundheits- und Sozialberufegesetzen sind Verschwiegenheitspflichten und auch die Ausnahmen zur Verschwiegenheit entsprechend geregelt. Diese Bestimmungen setzen vor Datenweitergabe immer eine informierte Zustimmung (das ergibt sich auch bereits aus der DSGVO) voraus. Ein Berufsgesetz der Sozialen Arbeit müsste dementsprechend Bestimmungen enthalten, die mit den bereits existierenden Bestimmungen anderer Professionen in Übereinstimmung steht.

Aufgrund der derzeit fehlenden Regelungen in vielen Bereichen der Sozialen Arbeit haben Adressat*innen keine Rechtssicherheit, dass vertrauliche Informationen (sofern keine Ausschlussgründe vorliegen) auch vertraulich bleiben. Ebenso haben sie kein verbrieftes Recht zur Einsicht in die sie betreffende Dokumentation. Beides Bereiche, die aufgrund der Professionsethik und des emanzipatorischen Selbstverständnisses der Sozialen Arbeit selbstverständlich wären, mitunter aber im Arbeitsalltag von den Fachkräften nicht umgesetzt werden können.

Bleibt der enge Bezug der Sozialpädagogik zu Pädagogik mit einem Berufsgesetz erhalten?

Ja. Im Dokument “Identifikationsrahmen für Sozialpädagogik und Sozialarbeit” wird auf die unterschiedlichen Bereiche verwiesen, in denen Soziale Arbeit tätig ist. In Dokument “Definition der Sozialen Arbeit – konkretisiert für Österreich” finden sich die Begriffe zur „selbstbestimmten sozialen Teilhabe“ sowie zur „Inklusion“. Um diese Ziele zu erreichen bedarf es auch Maßnahmen und Methoden, die der Pädagogik entlehnt sind und im Sinn des emanzipatorischen Auftrags der Sozialen Arbeit umgesetzt werden. Diese Dokumente sind hier abrufbar.